Was das Grenzmuseum zum Ort des Miteinanders macht

Menschen zusammenbringen, ihre Geschichten erzählen und sie erhalten – dafür sorgt der Museumsverein, der das Grenzmuseum Böckwitz-Zicherie betreibt. Was die Mitglieder motiviert, ist ganz unterschiedlich. 

2019 stand der Verein kurz vor dem Aus, weil keine Nachfolger für die Vorstandsämter gefunden wurden. Fast im letzten Moment fand sich eine Gruppe um die jetzige Vorsitzende Verena Treichel zusammen, die das Museum erhalten wollte – zum Beispiel als wichtigen Ort der Erinnerung an die Zeit der Teilung und als Plattform für einen gemeinsamen Austausch. Der Verein stellte sich neu auf, fokussierte sich auf die bewegte Lokal-Geschichte mit den Kernthemen Erinnerungskultur und Grünes Band – und startete durch. 

Seitdem hat sich das Grenzmuseum und der Verein mit seinen rund 100 aktiven und fördernden Mitgliedern, die sowohl aus Sachsen-Anhalt wie aus Niedersachsen kommen und verschiedenen Generationen angehören, rasant entwickelt. Führungen mit Zeitzeugen zählen ebenso zum Angebot wie geführte Wanderungen und Fahrradtouren, die Veranstaltungen reichen vom Fach-Vortrag bis zur Konzert-Lesung, eine Zusammenarbeit mit der Leibniz-Universität Hannover wurde gestartet, es gab Seminare, TV-Beiträge und vieles mehr.  

„Man fühlt sich immer willkommen und wertgeschätzt“

Ob mit Geschichten, Ideen, größeren oder vermeintlich kleinerenTätigkeiten oder etwas ganz anderem – Menschen könnten sich entsprechend ihrer Möglichkeiten und Interessen auf verschiedenste Art und Weise einbringen, alle seien willkommen. „Wer zwei Stunden im Jahr investiert ist genauso willkommen wie jemand, der das Museum als seine zweite Heimat sieht“, so Treichel.  Ein Miteinander gebe es auch zwischen den verschiedenen Altersgruppen, die voneinander lernen würden: „Man spricht eine Sprache, wir lachen total viel –  es ist wirklich eine Freude, mit diesen Mitgliedern in diesem Verein zu arbeiten.“

Auch für Marie Holtin zählt das gute Vereinsklima zu den verschiedenen Gründen, sich zu engagieren. „Weil ich die Menschen aus dem Verein ganz toll finde“, erklärt sie. „Man fühlt sich immer willkommen und wertgeschätzt.“ Für „wahnsinnig wichtig“ bewertet sie zugleich das historische Thema: „Der Museumsverein trägt zur Erinnerung an die Vergangenheit sowie zur Förderung des Miteinanders und einer gemeinsamen, wiedervereinigten Identität bei und geht somit eine wichtige Aufgabe für Gegenwart und Zukunft an“, erklärt sie. „Dabei mithelfen zu können, motiviert mich.“

Christina Mattes Verbindung zum Museum hat ihren Ursprung in der Familie, „denn das Museum in Böckwitz ist das Elternhaus meiner Mutter.“ Sie selbst wuchs im westlichen Grenzland auf, die Verwandtenbesuche im Rahmen des kleinen Grenzverkehrs blieben ihr in eindrücklicher Erinnerung. Denn: Für eine direkte Entfernung von zwölf Kilometern habe ein 70 Kilometer langer Umweg über den Grenzübergang Bergen an der Dumme gefahren werden müssen. Sie ist der Ansicht, dass die Zeit der Teilung „nicht in Vergessenheit geraten“ dürfe. Auch seien „die Grenzanlagen in ihrer Grausamkeit und Härte“, die in einer Diktatur möglich gewesen seien, für jetzige Generationen kaum vorstellbar. Das Museum sieht sie als „eine sehr gute Möglichkeit“, um aufzuzeigen, warum es wichtig sei, die Demokratie zu bewahren. „Außerdem kann man durch die Ausstellung und die Touren am Grünen Band hautnah erfahren, wie diese Grenzanlagen Land und Leute geprägt haben“, erläutert Matte. Um dies zu erhalten, brauche es aber viele ehrenamtliche Helfer – das zu unterstützen, sei ihre Intention.

Menschen und ihre Geschichten im Mittelpunkt

Historikerin Dr. Abigail Fagan wirkt im Vorstand des Vereins mit. „Ich halte es für sehr wichtig, solch eine Geschichte aufzuarbeiten und uns daran zu erinnern.“ Schließlich sei die Mauer nicht nur materiell, sondern auch eine Mauer zwischen Menschen gewesen. Derzeit erlebe man weltweit, wie Mauern wieder gebaut oder benutzt würden, um Gewalt zwischen Menschen auszulösen. „Es ist meine Hoffnung, dass wir das mit der Arbeit im Grenzmuseum auf kleinerer Ebene sowie auf größerer Ebene eventuell ändern können.“ Die Zusammenarbeit im Museum sei toll, auch, weil diese intergenerational sei: Sowohl voneinander im Verein als auch in der Interaktion mit anderen in der Arbeit für den Verein lerne man von jüngeren und älteren Menschen. Das sei politisch und auch für sie selbst extrem wichtig.

Überhaupt stehen die Menschen und ihre Geschichten im Mittelpunkt des Grenzmuseums – und zwar nicht nur am Tag der deutschen Einheit, wenn es regelmäßig zum Austausch- und Begegnungsort wird. „Jede Geschichte sollte erzählt werden, dafür sollte das Museum da sein“, sagt Verena Treichel und hofft, dass noch mehr Menschen ihre Geschichte teilen.


tgr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert